Ökonomische Innovation & Institutionen
Wer komplexe soziale Systeme und Technologie verstehen will, muss verstehen wie sie in die Lebenswelt eingebettet sind. Das führt auf natürliche Weise auf die Fragestellungen der Ökonomie.
Umgekehrt lässt sich Ökonomie von der Technik her denken. Am Ende geht es in der Ökonomie um die Organisation all derjenigen Techniken, die wir für unser Überleben, für die Erfüllung unserer Anliegen benötigen.
Deswegen stehen ökonomische Fragestellungen im Kern der Forschungsaktivitäten von Aiberich. Diese Aktivitäten verteilen sich auf drei Forschungseinheiten:
- Innovationsökonomie & heterodoxe Ökonometrie
- Dezentrale Finanzsysteme
- Wissensökonomie
Forschungseinheiten
Innovationsökonomie & heterodoxe Ökonometrie
Grundlage: Die Forschungseinheit Innovationsökonomie & heterodoxe Ökonometrie untersucht die Dynamik von Innovationen und strukturellem Wandel aus einer systemischen, evolutorischen Perspektive. Im Anschluss an Joseph A. Schumpeter wird Innovation als Prozess „schöpferischer Zerstörung“ verstanden – als ständiger Wandel von Technologien, Institutionen und sozialen Strukturen, der Wohlstand und Krisen gleichermaßen hervorbringt.
Die Einheit verbindet theoretische Konzepte der Innovationsökonomie mit empirischen Ansätzen einer heterodoxen Ökonometrie, die auf komplexe, nichtlineare und historisch abhängige Zusammenhänge ausgerichtet ist. Im Mittelpunkt stehen Fragen nach den Bedingungen, unter denen Gesellschaften Innovationsfähigkeit entfalten und gleichzeitig soziale Stabilität wahren können.
Methodische Zugänge: Methodisch stützt sich die Forschungseinheit auf strukturökonometrische und evolutorisch-dynamische Modelle, die Pfadabhängigkeiten, Interdependenzen und institutionelle Rückkopplungen berücksichtigen. Neben klassischen Regressions- und Panelverfahren kommen nichtlineare und multivariate Modelle, Bayesianische Verfahren, Netzwerkanalysen und maschinelle Lernverfahren zur Anwendung, um komplexe Zusammenhänge zwischen sozialer Absicherung, Risikobereitschaft und Innovationsleistung abzubilden.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Verknüpfung theoretischer Modellierung mit empirischen Indikatoren, etwa zur Messung von Innovationsdichte, Unternehmertum, Investitionsdynamik oder sozialer Sicherheit. Durch diese Kombination wird eine methodische Grundlage geschaffen, um sozioökonomische Systeme als adaptive, offene Systeme zu analysieren, in denen wirtschaftliche Entwicklung, institutionelle Ordnung und soziale Absicherung in Wechselwirkung stehen.
Zur Forschungseinheit: Innovationsökonomie & heterodoxe Ökonometrie
Dezentrale Finanzsysteme
Grundlage: Die Forschungseinheit Dezentrale Finanzsysteme untersucht neue Formen der finanziellen Organisation jenseits zentralisierter Institutionen. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Finanzsysteme nicht nur ökonomische, sondern vor allem institutionelle Infrastrukturen des Vertrauens darstellen. Während traditionelle Finanzordnungen auf Intermediation durch Banken und staatliche Regulierungsinstanzen beruhen, ermöglichen neuere technologische Entwicklungen alternative Mechanismen zur Sicherung von Transaktionen, Eigentum und Kreditwürdigkeit.
Im Mittelpunkt stehen Blockchain-Technologien, Smart Contracts und dezentrale Protokolle, die eine Demokratisierung der Finanzarchitektur in Aussicht stellen. Solche Systeme machen es möglich, ökonomische Transaktionen technisch abzusichern, ohne dass Vertrauen an einzelne Organisationen oder Akteure gebunden ist. Damit eröffnen sie eine neue Perspektive auf Geld, Kredit und Eigentum als verteilte, algorithmisch verwaltete Größen.
Methodische Zugänge: Die Forschungseinheit kombiniert konzeptionelle Analyse mit simulationsgestützten und experimentellen Verfahren. Auf der technischen Ebene werden Blockchain-Protokolle, Konsensmechanismen, Smart-Contract-Systeme und tokenbasierte Governance-Modelle untersucht und modelliert. Ergänzend kommen ökonomische Netzwerkanalyse, institutionelle Ökonomie, Mechanismusdesign und formale Verifikation zum Einsatz, um Stabilität, Fairness und Resilienz dezentraler Finanzstrukturen zu erfassen.
Durch die Verbindung von theoretischer Reflexion und empirisch-technischer Modellierung werden Grundlagen für eine Finanzordnung erforscht, die Offenheit, Nachvollziehbarkeit und demokratische Teilhabe strukturell verankern kann.
Zur Forschungseinheit: Dezentrale Finanzsysteme
Wissensökonomie
Grundlage: Die Forschungseinheit Wissensökonomie untersucht Wissen als zentrale produktive Ressource moderner Gesellschaften. Im Unterschied zu klassischen ökonomischen Theorien, in denen Wissen häufig als exogener Faktor erscheint, wird hier Wissen als konstitutives Element ökonomischer Prozesse verstanden – als das Medium, in dem Wertschöpfung, Arbeitsteilung und technische Entwicklung überhaupt erst möglich werden.
Ausgehend von einer Verbindung neo-schumpeterianischer, evolutionärer, Oppenheimerscher und marxistischer Perspektiven wird Wissen als dynamische Größe betrachtet, die ökonomische Ordnungen formt und zugleich durch sie geformt wird. Dabei wird die klassische Arbeitswerttheorie in eine Wissenswerttheorie überführt: Der Wert eines Gutes ergibt sich nicht allein aus der aufgewendeten Arbeitszeit, sondern aus dem in ihm geronnenen Wissen – aus den Kulturtechniken, Verfahren und symbolischen Systemen, die seine Herstellung ermöglichen.
Zentral ist die Idee, dass Wissensbestände selbst dynamischen Gesetzmäßigkeiten folgen: Sie diffundieren, koppeln, transformieren und verdichten sich in kollektiven Strukturen – von technologischen Netzwerken über institutionelle Rahmen bis zu symbolischen Kulturen. So wird ökonomisches Wachstum als Ausdruck der Evolution von Wissensfeldern verstanden, deren Dynamik zugleich soziale, kulturelle und technische Dimensionen umfasst.
Methodische Zugänge: Die Forschungseinheit verbindet theoretische Modellbildung mit historischer und systematischer Analyse. Methodisch werden komparative Theorienarbeit, systematische Rekonstruktion ökonomischer Schulen (Marx, Schumpeter, Oppenheimer u. a.) sowie komplexitäts- und feldtheoretische Ansätze genutzt. Ergänzend kommen formale Modelle der Diffusion, Kopplung und Evolution von Wissensfeldern zum Einsatz, wie sie aus der Theorie dynamischer Systeme und der Netzwerkanalyse bekannt sind.
Ziel ist keine empirische Vermessung einzelner Sektoren, sondern die Entwicklung eines theoretischen Rahmens, der Wissen, Arbeit und Wertschöpfung als zusammenhängende Größen einer evolutionären Ökonomie begreifbar macht.
Zur Forschungseinheit: Wissensökonomie
Aktuelle Projekte in diesem Forschungscluster
Sozialstaat & Innovationsfähigkeit
Prämisse: Kreativität braucht Muße – auch im Prozess schöpferischer Zerstörung, der Innovation begleitet. Unter hohem existenziellem Druck sinkt die Risikobereitschaft. Umgekehrt erfordert eine dynamische Volkswirtschaft Individuen, die bereit sind, Risiken einzugehen, um Neues hervorzubringen und durchzusetzen.
Ziel: Das Forschungsprojekt untersucht den systematischen Zusammenhang zwischen sozialstaatlicher Absicherung und Innovationsdynamik. Ausgehend von der Annahme, dass existenzieller Stress – der durch soziale Sicherheit gemindert oder durch deren Fehlen verstärkt wird – die individuelle Risikobereitschaft beeinflusst, soll ein quantitativer Zusammenhang zwischen dem Grad sozialer Absicherung und der Innovationsfähigkeit von Volkswirtschaften ermittelt werden.
Methoden: Zum Einsatz kommen neuartige ökonometrische Verfahren, die es ermöglichen, strukturelle Zusammenhänge zwischen sozialen Sicherungssystemen, unternehmerischer Aktivität und makroökonomischer Innovationsleistung präzise zu modellieren.
Forschungseinheit: Innovationsökonomie & heterodoxe Ökonometrie
Demokratische Finanzarchitektur
Prämisse: Seit Jahrhunderten ist das Finanzwesen in den Händen zentraler Institutionen. Banken verwalten unser Geld, gewähren Kredite, setzen wirtschaftliche Impulse und entscheiden oft mit darüber, wer Zugang zu Kapital bekommt – und wer nicht. Sie fungieren als Intermediäre, als Prüfende und als Garanten für Verträge, die auf Vertrauen basieren. Doch was, wenn genau dieses Vertrauen nicht mehr an Organisationen gebunden sein muss?
Mit dem Aufkommen der Blockchain-Technologie und der Entwicklung sogenannter Smart Contracts ist eine grundlegende Verschiebung im Denken über wirtschaftliche Institutionen möglich geworden. Verträge lassen sich inzwischen nicht nur schriftlich und rechtsverbindlich aufsetzen, sondern auch technisch erzwingen – automatisch, transparent und ohne zentrale Kontrollinstanz. Damit steht erstmals ein Werkzeug zur Verfügung, das Vertrauen nicht ersetzt, sondern anders organisiert: als Code.
Ziel: Das Projekt zielt darauf ab, eine Blockchain basierte Finanzordnung zu erforschen, die die Struktur der Finanzindustrie demokratisieren soll.
Methoden: Wesentliche technische Grundlage des Forschungsprojekts ist die Blockchain-Technologie und insbesondere das Konzept der snmart contracts.
Forschungseinheit: Dezentrale Finanzsysteme
Grundlagen der Wissensökonomie
Prämisse: Wissen ist für die ökonomischen Bedingungen von zentraler Bedeutung. Allerdings neigen die meisten systematischen Herangehensweisen an ökonomische Fragestellungen dazu, Wissen nur eine untergeodnete theoretische Role zuzweisen.
Ziel: In diesem Projekt wird aus der Vermischung von Neo-Schumpeterschen Überlegungen, Komplexitäts- und evolutionärer Ökonomik, Ideen aus der marxschen Wirtschaftswissenschaft sowie Elementen der an Franz Oppenheimer orientierten Forschung ein theoretischer Rahmen für die Betrachtung ökonomischer Verhältnisse geschaffen, der Wissen und Technik ins Zentrum rückt, bzw. zum Ausgangspunkt der Betrachtungen macht.
Methoden: Grundlage des methodischen Vorgehens ist die kritische Aufarbeitung der genannten ökonomischen Schulen, wie auch der komplementären Neoklassik und des Neokeynesianismus.
Forschungseinheit: Wissensökonomie