Technik, Wissen & Moderne

Technik, Wissen & Moderne

Technik und Wissen sind zwei zentrale Triebkräfte der modernen Gesellschaft. Sie verändern, wie wir die Welt verstehen, wie wir handeln und wie wir uns selbst begreifen. Die Frage, wie technische Systeme unser Wissen formen – und umgekehrt Wissen technische Entwicklungen ermöglicht – steht im Zentrum dieses Forschungsclusters.

Im Unterschied zu rein anwendungsorientierten Perspektiven betrachten wir Technik als Bestandteil unserer Erkenntnispraxis: Als Werkzeug, das neue Möglichkeiten schafft, aber auch neue Abhängigkeiten erzeugt. Moderne Technologien – vom wissenschaftlichen Rechnen bis zu quantenmechanischen Verfahren – sind nicht nur Mittel zur Lösung von Problemen, sondern verändern selbst, was wir unter Wissen, Rationalität und Fortschritt verstehen.

Der Cluster Technik, Wissen & Moderne vereint drei Forschungseinheiten, die diesen Zusammenhang aus unterschiedlichen Blickwinkeln untersuchen:

  1. Technikphilosophie & Epistemologie
  2. Fortschrittliches wissenschaftliches Rechnen
  3. DeepTech in Gesellschaft, Politik und die Arbeitswelt

Forschungseinheiten

Technikphilosophie & Epistemologie

Symbolbild Technikphilosophie & Epistemologie

Grundlage: Die Forschungseinheit Technikphilosophie & Epistemologie beschäftigt sich mit den Bedingungen, unter denen Wissen in modernen, technisch geprägten Gesellschaften entsteht. Technik wird dabei nicht als bloßes Werkzeug verstanden, sondern als Teil der Erkenntnispraxis selbst. Sie verändert, wie wir Probleme wahrnehmen, beschreiben und prüfen – und damit auch, was wir überhaupt als Wissen ansehen.

Ein Schwerpunkt liegt auf der Frage, wie technische Systeme – etwa künstliche Intelligenz oder datenbasierte Verfahren – die Art verändern, wie Geltungsansprüche entstehen und überprüft werden. Erkenntnis wird nicht als privater Akt verstanden, sondern als sozial und technisch vermittelter Prozess, in dem sich Wahrheit im Umgang mit der Welt bewähren muss.

Die Forschung knüpft an eine aufklärerische Perspektive an, die Denken als etwas versteht, das sich im Konflikt mit der Realität schärft. Sie fragt danach, wie sich unter den Bedingungen technischer Vermittlung – also in einer Welt aus Modellen, Simulationen und Algorithmen – die Idee von Aufklärung und kritischer Öffentlichkeit aufrechterhalten lässt.

Methodische Zugänge: Die Forschungseinheit verbindet philosophische Analyse mit systematischer Wissenschaftstheorie. Untersucht werden die epistemischen Strukturen technischer Systeme, die Formen ihrer Geltungsansprüche und die sozialen Bedingungen ihrer Rechtfertigung. Methodisch werden Ansätze aus Erkenntnistheorie, Sprachphilosophie, Systemtheorie und Semiotik zusammengeführt.

Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse der Krise der Apodeixis – der Frage, wie in fragmentierten, digitalisierten Gesellschaften überhaupt noch gezeigt, geteilt und überprüft werden kann, was als wahr gelten soll. Daraus ergibt sich eine technikphilosophische Perspektive, die das Zusammenspiel von Algorithmus, Öffentlichkeit und Aufklärung neu denkt: Wie lässt sich in einer datengetriebenen Moderne eine Kultur aufrechterhalten, in der Widerspruch produktiv und Wahrheit überprüfbar bleibt?

Zur Forschungseinheit: Technikphilosophie & Epistemologie

Fortschrittliches wissenschaftliches Rechnen

Symbolbild Fortschrittliches wissenschaftliches Rechnen

Grundlage: Die Forschungseinheit Fortschrittliches wissenschaftliches Rechnen entwickelt und untersucht numerische und analytische Verfahren zur Lösung komplexer naturwissenschaftlicher und technischer Probleme. Im Mittelpunkt stehen neue Ansätze, die klassische mathematische Modellierung mit Methoden des maschinellen Lernens und der Quanteninformation kombinieren.

Schwerpunkte liegen auf Technologien wie Physics-informed Neural Networks (PiNNs), Kolmogorov-Arnold-Netzen, Quantencomputing oder Computational Fluid Dynamics (CFD). Ziel ist die Entwicklung und Analyse von Verfahren, die physikalische Gesetzmäßigkeiten, funktionalanalytische Strukturen und datengetriebene Modelle konsistent miteinander verbinden.

Die Arbeiten reichen von der theoretischen Untersuchung funktionalanalytischer Eigenschaften neuronaler Netze über die Anwendung quantenmechanischer Verfahren auf chemische Systeme bis hin zur Simulation komplexer Strömungs- und Materialprozesse. Ein besonderer Fokus liegt auf hybriden Verfahren, die klassische und quantenmechanische Berechnungen koppeln und dadurch neue Wege zur Modellierung hochdimensionaler Systeme eröffnen.

Methodische Zugänge: Zum Einsatz kommen Methoden der Funktionalanalysis, Spektral- und Operatorentheorie, Variationsrechnung, partiellen Differentialgleichungen sowie stochastischen Simulation. Ergänzend werden Tensor- und Graphnetzwerke, Monte-Carlo-Verfahren und hybride Optimierungsansätze genutzt.

Im Bereich des Quantencomputings liegt der Fokus auf der algorithmischen und funktionalanalytischen Beschreibung von DCQO- und Quantenchemie-Verfahren sowie auf der Untersuchung der Schnittstellen zwischen quantenmechanischen und klassischen Simulationsmethoden.

Ziel ist die Entwicklung und das tiefere Verständnis von Verfahren, die Rechenleistung, Stabilität und Modelltreue in wissenschaftlichen Anwendungen nachhaltig verbessern.

Zur Forschungseinheit: Fortschrittliches wissenschaftliches Rechnen

Deeptech in Gesellschaft, Politik und Arbeitswelt

Symbolbild Deeptech in Gesellschaft, Politik und Arbeitswelt

Grundlage: Die Forschungseinheit DeepTech in Gesellschaft, Politik und der Arbeitswelt untersucht, wie neue technische Systeme soziale, organisatorische und politische Strukturen verändern. Im Mittelpunkt steht die technik- und arbeitssoziologische Analyse jener Technologien, die kognitive, kommunikative oder koordinierende Prozesse automatisieren – etwa Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen, robotische Systeme und datengetriebene Entscheidungsverfahren.

Untersucht wird, wie sich durch solche Technologien Arbeitsteilung, Autorität und Verantwortung in Organisationen und Institutionen verschieben, wie neue Formen von Steuerung und Kontrolle entstehen und welche Anpassungsmechanismen gesellschaftliche Systeme ausbilden. Dabei steht nicht die Technik als Objekt, sondern ihr Einsatzkontext im Vordergrund – die Bedingungen, unter denen technische Systeme entwickelt, implementiert und genutzt werden.

Die Forschungseinheit begreift technische Innovation als sozialen Prozess. Sie fragt, wie sich mit der Einführung von DeepTech-Systemen Organisationslogiken, Berufsbilder und Interaktionsformen verändern – und wie diese Transformationen auf institutionelle Strukturen, politische Entscheidungsprozesse und alltägliche Arbeitspraktiken zurückwirken.

Methodische Zugänge: Zum Einsatz kommen Methoden der Technik- und Organisationssoziologie, der Arbeitssoziologie, der Institutionenökonomik sowie qualitative und quantitative Verfahren der empirischen Sozialforschung. Ergänzend werden Fallstudien, Szenarienanalysen und computergestützte Simulationen genutzt, um Wechselwirkungen zwischen technischer Implementierung, organisationalem Wandel und gesellschaftlicher Regulierung zu erfassen.

Ein besonderer Fokus liegt auf der Untersuchung von algorithmischer Organisation, Mensch-Maschine-Interaktion, automatisierter Entscheidungsfindung und den sich daraus ergebenden Veränderungen der sozialen Infrastruktur von Arbeit, Politik und Verwaltung.

Zur Forschungseinheit: Deeptech in Gesellschaft, Politik und Arbeitswelt

Aktuelle Projekte in diesem Forschungscluster

Funktionalanalytische Bestimmung kontradiabatischer Terme für DCQO

Symbolbild kontradiabatische Dynamik in DCQO-Systemen

Prämisse: Die effiziente Bestimmung des Grundzustands eines Hamiltonians ist eine der zentralen neuen Möglichkeiten, die das Quantencomputing bietet. Die entsprechenden Verfahren bedeuten einen "Quantensprung" in der Materialforschung, Chemie und Optimierung. Unter den Bedingungen der gegenwärtigen NISQ-Ära (Noisy Intermediate-Scale Quantum) hat sich Digitized Counterdiabatic Quantum Optimization (DCQO) als vielversprechender Ansatz erwiesen: Es ermöglicht eine deutliche Verbesserung der Ergebnisse von adiabatischen Prozessen auch auf fehleranfälliger Hardware, indem kontradiabatische Terme die Systemdynamik stabilisieren. Ihre exakte Berechnung bleibt jedoch analytisch schwierig und numerisch aufwendig – hier setzt das Projekt an.

Ziel: Dieses Forschungsprojekt entwickelt neue Verfahren zur Bestimmung kontradiabatischer Terme für DCQO. Ziel ist es, einerseits Metaheuristiken systematisch zu untersuchen und andererseits funktionalanalytische Methoden einzusetzen, um die zugrunde liegenden Operatorenräume und Wirkungsfunktionen zu approximieren. Dadurch soll eine robuste und verallgemeinerbare Methodik entstehen, die sowohl theoretische Einsicht als auch numerische Effizienz bieten. Hierfür sollen auch konkrete Systeme geschaffen werden, die die entsprechenden Verfahren jedermann zur Verfügung stellen.

Methoden: Zum Einsatz kommen Techniken aus der Funktionalanalysis, Spektraltheorie und Operatorapproximation, ergänzt durch projektive Verfahren in Hilberträumen und variationale Ansätze. Diese werden kombiniert, um kontradiabatische Terme konstruktiv und stabil zu bestimmen. Der Fokus liegt auf der Entwicklung von Näherungsverfahren, die mit reduzierten Ressourcen und begrenzter Kohärenzzeit verlässliche Ergebnisse liefern. Andererseits werden auch Metaheuristiken untersucht und ihr Einsatz erprobt.

Forschungseinheit: Fortschrittliches wissenschaftliches Rechnen

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Möglichkeiten und Weiterentwicklungen von KAN

Symbolbild Kolmogorov-Arnold-Netze

Prämisse: Machine Learning ist im Kern eigentlich Funktionenapproximation. Daher liegt es nahe, an ML mit klassischen Verfahren und Methoden aus der Funktionalanalysis heranzugehen. Andererseits hat sich gezeigt, dass klassische Funktionenapproximation dimensional explodiert und schlecht zu trainieren ist. Deswegen haben sich simple Modelle wie neuronale Netze als de facto Standard im ML etabliert. Kolmogorov-Arnold-Netze stellen einen Kompromiss zwischen Netzstruktur und funktionalanalytischen Verfahren dar.

Ziel: Das Projekt zielt darauf ab, KAN insbesondere unter Nutzung von Chebyshev-Polynomen zu erforschen, etwa optimale Netz-Topologien für bestimmte Einsätze sowie insbesondere Trainingsroutinen zu erproben.

Methoden: In diesem Projekt kommen insbesondere Methoden der Funktionalanalysis zum Einsatz.

Forschungseinheit: Fortschrittliches wissenschaftliches Rechnen

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