Systemische Intelligenz & Modellierung
Systeme und ihre inneren Dynamiken stehen im Zentrum der Forschungsaktivität von Aiberich. Die komplexen Wechselwirkungen, denen wir im Alltag ausgesetzt sind, müssen nicht nur im wissenschaftlichen Sinn verstanden werden, sondern ihr Verständnis ist auch die Grundlage unserer Entscheidungsfindung. Nur wenn wir unserer Umwelt Sinn abtrotzen können, sind wir in der Lage qualifizierte Entscheidungen zu treffen.
Im Rahmen unserer Forschung machen wir eine zentrale Unterscheidung, die sich durch die Forschungsprojekte, die Struktur unserer Forschungseinheiten und die Methodik zieht: Wir unterscheiden Systeme, die handlungsbasiert sind und solche, in denen primär andere Wirkzusammenhänge auftreten. Daher fassen wir in unserem Forschungscluster Systemische Intelligenz & Modellierung zwei Forschungseinheiten zusammen, bei denen es um Modellierung und Analyse komplexer Systeme geht:
- "Modellierung komplexer Systeme"
- "Agentenbasierte Systeme"
Forschungseinheiten
Modellierung komplexer Systeme
Grundlage: Die Forschungseinheit Modellierung komplexer Systeme untersucht die Prinzipien von Ordnung, Stabilität und Emergenz in Systemen mit vielen interagierenden Komponenten. Ausgangspunkt ist die Einsicht, dass sich makroskopische Strukturen und Verhaltensmuster häufig aus einfachen lokalen Regeln ergeben – ein Gedanke, der Thermodynamik, theoretische Biologie und die Theorie dynamischer Systeme miteinander verbindet.
Im Fokus steht die Entwicklung analytischer und rechnergestützter Modelle, die helfen, kollektive Dynamiken zu verstehen und zu steuern – von ökonomischen Netzwerken über ökologische Systeme bis zu quantenmechanischen Prozessen. Durch den Brückenschlag zwischen physikalischer Systemtheorie und sozialer oder technologischer Komplexität soll ein tieferes Verständnis der Bedingungen entstehen, unter denen Systeme lernen, sich anpassen und resilient bleiben können.
Methodische Zugänge: Die mathematische Modellierung komplexer Systeme nutzt ein breites Spektrum theoretischer und analytischer Verfahren. Dazu gehören Methoden der Thermodynamik und statistischen Physik, der Theorie dynamischer Systeme sowie der stochastischen Prozesse. Typische Werkzeuge sind nichtlineare Differentialgleichungen, stochastische Differentialgleichungen (etwa auf Basis von Wiener- oder Itô-Prozessen), Fokker-Planck- und Mastergleichungen, Stabilitäts- und Bifurkationsanalysen sowie kontinuierliche und diskrete Optimierungsverfahren.
Ergänzend kommen funktionalanalytische und spektraltheoretische Ansätze, Variationsmethoden und Numerik partieller Differentialgleichungen zum Einsatz, insbesondere wenn analytische Lösungen nicht zugänglich sind. Die Kombination dieser Verfahren ermöglicht es, strukturelle Eigenschaften, Invarianzen und emergente Dynamiken mathematisch zu erfassen, ohne an spezifische Anwendungsbereiche gebunden zu sein.
Zur Forschungseinheit: Modellierung komplexer Systeme
Agentenbasierte Systeme
Grundlage: Die Forschungseinheit Agentenbasierte Systeme untersucht Systeme, die aus vielen interagierenden Einheiten bestehen und deren kollektives Verhalten aus einfachen lokalen Regeln, Anreizen und Lernprozessen hervorgeht. Solche Systeme bilden die Grundlage, um Phänomene wie Kooperation, Wettbewerb oder Stabilität in ökonomischen, sozialen oder technologischen Kontexten modellhaft zu erfassen.
Im methodischen Mittelpunkt stehen agentenbasierte Modelle (ABM) und Multi-Agent-Systeme (MAS), die durch Methoden der Spieltheorie, der Nichtgleichgewichtsdynamik, der stochastischen Simulation und des Reinforcement Learning ergänzt werden.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Einsatz gamifizierter Szenarien als Modellierungsrahmen. Durch spielerisch strukturierte Interaktionen lassen sich Anreizmechanismen, Lernstrategien und kollektive Entscheidungsprozesse unter kontrollierten Bedingungen analysieren und experimentell variieren.
Die Forschungseinheit zielt nicht auf spezifische Anwendungen, sondern auf ein vertieftes Verständnis der allgemeinen Prinzipien, nach denen adaptive, dezentral organisierte Systeme Stabilität, Kooperation und Innovation hervorbringen.
Methodische Zugänge: Die Forschungseinheit nutzt Verfahren aus der Mathematischen Modellierung, Simulation und Optimierung verteilter Systeme. Dazu gehören agentenbasierte Simulationen, dynamische Spielmodelle, Markov-Entscheidungsprozesse, evolutionäre Algorithmen sowie statistische Lernverfahren zur Analyse emergenter Muster.
Zur Untersuchung der Systemdynamik werden nichtlineare und stochastische Differentialgleichungen, Monte-Carlo- und Bootstrapping-Verfahren sowie experimentelle Rechenmodelle eingesetzt, die Lern- und Anpassungsprozesse auf der Mikroebene mit makroskopischen Systemzuständen koppeln.
Durch die Verbindung formaler Modelle mit simulativ-experimentellen Szenarien entsteht ein methodischer Rahmen, der es erlaubt, kollektive Dynamiken, Stabilitätseigenschaften und institutionelle Effekte in dezentralen Systemen systematisch zu untersuchen.
Zur Forschungseinheit: Agentenbasierte Systeme
Aktuelle Projekte in diesem Forschungscluster
Virtuelle Kraftwerke & smarte Stromnetze
Prämisse: Erneuerbare Energien bieten die Möglichkeit Stromerzeugung zu dezentralisieren. Damit stellen sie Stromnetze vor neuartige Herausforderungen. Die Infrastruktur des Stromnetzes ist auf ein anderes Paradigma ausgelegt: Dass Stromhersteller private Haushalte beliefern. Wenn nun private Haushalte selbst Strom liefern - und etwa durch plötzliche Bewölkung kurzfristig ausfallen können - ergibt sich das Problem von Lastsprüngen und der zugehörigen Frequenzinstabilität, die zu einem Blackout führen können.
Ziel: Dieses Forschungsprojekt dient der Erforschung der Netzstabilisierung durch intelligente Steuerung. Dabei wird einerseits ein mathematischer Rahmen für die Analyse der stochastischen Effekte innerhalb eines Stromnetzes mit erneuerbaren Energien geschaffen werden. Andererseits werden insbesondere durch die algorithmische Steuerung und Verwaltung von virtuellen Speicherkraftwerken Methoden zur gezielten Netzstabilisierung ausgelotet.
Methoden: Kern des Forschungsprojekts ist die Entwicklung eines mathematischen Rahmens und eines digitalen Zwillings als Experimentierkasten für intelligente Steuerung.
Forschungseinheit: Modellierung komplexer Systeme
Lernende Agenten und kontrafaktische Analyse
Prämisse: Simulationen bilden in vielen Bereichen der empirischen Wissenschaften ein erprobtes Mittel der Forschung. Im Bereich der sozialen/handlungsbasierten Forschung ist dieser Ansatz schwieriger. Mit dem Markovschen Entscheidungsprozess und darauf basierenden Agentensystemen existiert ein theoretischer Rahmen, der sich leicht algorithmisch durch Bellman-basierte Verfahren oder verstärkenedes Lernen umsetzen lässt. Umgekehrt lassen sich komplexe soziale Zusammenhänge mithilfe eines Gamification-Ansatzes modellieren. Indem man diese Spiele von lernenden Agenten spielen lässt, gewinnt man Einblick in komplexe soziale Handlungskomplexe und ihre Motivationsstrukturen.
Ziel: Dieses Forschungsprojekt zielt darauf ab, den geschilderten Ansatz auszuentwickeln: Es werden gamifizierte Szenarien entwickelt, die soziale/handlungsbasierte Zusammenhänge darstellen, und diese mit lernenden Agenten gespielt. Archetyp ist ein Szenario, indem Agenten eine politische Destabilisierungssituation durchspielen, die an der politischen Situation am Ende der Weimarer Republik orientiert ist.
Methoden: Methodisch orientiert sich das Spiel einerseits an der Gamification von Handlungsszenarien. Andererseits orientiert sich die Vorgehensweise stark an der Theorie des Markovschen Entscheidungsprozesses, insb. an den Techniken zum verstärkenden Lernen, etwa Q-Learning oder PPO.
Kontakt & Kooperation
Wir arbeiten an der Schnittstelle von Wissenschaft, Technik und Gesellschaft. Wir freuen uns über jede Kollaboration, Mitarbeit und Unterstützung. Für Kollaborationen, Gastaufenthalte oder gemeinsame Projekte: Kontakt.